VEREIN ZUR FÖRDERUNG VON JUGENDLICHEN E.V.

Sexuelle Gewalt und Armutsprostitution sind Probleme, die nicht in fernen Ländern stattfinden, sondern bei uns. Vor unserer Haustür. Für uns bei Bütema ist soziales Engagement wichtig, daher unterstützen wir Organisationen, die uns am Herzen liegen. Der Verein zur Förderung von Jugendlichen e.V. ist so eine Organisation. Sozialpädagogin Saskia Reichenecker steht uns im Interview Rede und Antwort zu den Zielen und der Arbeitsweise des Vereins und erklärt wie sich die Prostitution mit der aktuellen Flüchtlingskrise verändert hat.

In welchem Bereich engagiert sich der Verein zur Förderung von Jugendlichen?

Der Verein zur Förderung von Jugendlichen wurde 1997 in Stuttgart von der altkatholischen Gemeinde gegründet und spricht speziell die Zielgruppe der Jungen und jungen Männer in Bezug auf sexuelle Gewalt und Prostitution an. Dafür arbeiten wir in drei Projekten. Das Café Strich-Punkt wurde bereits 1997 eröffnet um männlichen Prostituierten eine Anlaufstelle zu bieten und wird in Kooperation mit der AIDS-Hilfe Stuttgart betrieben. 2006 wurde dann Info4escorts gegründet. Hier haben Prostituierte in einem betreuten Rahmen die Möglichkeit Informationen zu sammeln, mit Gleichgesinnten zu chatten und Hilfe zu erhalten. Info4escorts wurde ebenfalls in Stuttgart gegründet und wird heute mit 6 weiteren deutschen Einrichtungen betreut, die sich an männliche Prostituierte richten. Ausschlaggebend für die Gründung von Info4escorts war, dass wir bemerkt haben, dass sich die Prostitution immer mehr ins Internet verlagert. 2014 kam dann das Projekt Antihelden* dazu. Hier betreiben wir vor allem Jugendarbeit, machen Workshops an Schulen und klären über Sexualität und sexuelle Gewalt auf. Bis heute wurden 75 Workshops durchgeführt und über 800 Jugendliche erreicht. Das Projekt wurde aus dem Hintergrund heraus gegründet, dass viele unserer Klienten im Café Strich-Punkt in jungen Jahren sexuelle Gewalt erfahren haben und diese Erfahrung für viele der Einstieg in die Prostitution war. Daher wollen wir hier präventiv agieren. Wir richten uns ausschließlich an Jungen und Männer und demnach im Café Strich-Punkt auch nur an männliche Prostituierte, weil wir gesehen haben, dass es für diesen Nischenbereich eine Notwendigkeit, aber noch kein Angebot gibt.

Vor allem das Café Strich-Punkt agiert ja in einem Bereich, der ein Tabuthema ist. Können Sie uns näheres zu Ihrer Arbeit im Café sagen?

Das stimmt. Leider ist die männliche Prostitution immer noch ein Tabu. Das Thema ist aber aufgrund der Flüchtlingsentwicklung aktueller denn je. Vor einigen Jahren haben wir überwiegend Männer deutscher Herkunft betreut, heute sind es vor allem junge Männer und Männer mit Migrationshintergrund, die der Armutsprostitution nachgehen. Wir betreuen beispielsweise viele Männer aus den Maghreb Staaten. Anschaffen zu gehen, ist für jeden psychisch belastend. Bei dieser Gruppe kommt noch erschwerend hinzu, dass der Großteil von Ihnen heterosexuell ist und somit entgegen der eigenen Sexualität und dem handelt, was in ihrer Heimatkultur die Norm ist. Dadurch ergeben sich enorme psychische Probleme. Die Arbeit im Café hat sich daher insofern verändert, dass wir heute vermehrt Deutschkurse anbieten, bei Behördengängen oder bei der Jobvermittlung helfen, sofern eine Arbeitserlaubnis vorliegt. Wir kochen und essen zusammen, bieten die Möglichkeit Wäsche zu waschen oder zu duschen. Auch die medizinische Versorgung durch eine Ärztin und Rechtsberatung durch ehrenamtliche Anwälte werden angeboten.

Liegt das Ziel des Vereins darin, den Betroffenen beim Ausstieg zu helfen?

Der Ausstieg ist auf jeden Fall das übergeordnete Ziel. Es gibt bei uns niemanden der das gerne macht, alle wollen raus aus der Szene. Trotzdem ist es für uns wichtig, einen akzeptieren Ansatz zu vermitteln. Wir verurteilen niemanden für das was er macht, versuchen aber auf Wunsch Alternativen zu finden. Dazu gehört die Situation jedes Einzelnen zu betrachten, zu akzeptieren und den Ausstieg Schritt für Schritt zu planen. Wenn die Betroffenen keine Arbeitserlaubnis haben, kommen wir hier aber an unsere Grenzen. Die Meisten sind gezwungen für sich oder ihre Familien Geld zu verdienen und können daher nicht einfach aufhören ohne einer legalen Beschäftigung nachzugehen. In diesem Fall bereiten wir die Klienten beispielsweise in Form von Deutschkursen bestmöglich vor, so dass sie am Arbeitsmarkt bessere Chancen haben, wenn sie die Arbeitserlaubnis erhalten.

Worin liegt Ihrer Ansicht nach die Ursache für die Armutsprostitution? Liegt das Problem bei den Freiern?

Aus unserer Sicht ist es natürlich sinnvoll auch mit den Freiern zu arbeiten, ihnen klarzumachen, dass sie eine Verantwortung haben. Aber das Problem greift noch tiefer. Politische Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, um die Menschen schneller und vor allem nachhaltiger zu integrieren. Es ist auf jeden Fall keine Lösung Prostitution einfach zu verbieten. Sie würde dann nur im Verborgenen stattfinden, wo wir keinen pädagogischen Zugriff mehr haben.

Für gemeinnützige Vereine ist die Finanzierung ja ein wichtiger Teil der Arbeit. Das Antihelden* Projekt wird beispielsweise nur noch ein halbes Jahr gefördert. Wie geht es danach weiter?

Das stimmt. Das Antihelden* Projekt wird noch bis März 2017 von der Aktion Mensch gefördert. Wir sind gerade dabei weiterführende Anträge zu stellen und auf Geldgeber Suche. Das Café Strich-Punkt wird von der Stadt Stuttgart gefördert. Unser Projekt Info4escorts wird ausschließlich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge finanziert. Das spezielle Problem bei einem Onlineangebot ist, dass sich dafür keine Stadt zuständig fühlt, da der Zugriff im Internet ja weltweit erfolgen kann.

Vielen Dank für das ausführliche und interessante Interview.

Weitere Informationen zum Verein zur Förderung von Jugendlichen e.V. gibt es unter www.verein-jugendliche.de

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